Aus der Geschichte des Vereins
Der Verein für niederdeutsche Sprachforschung (VndS) wurde 1874 als einer der ersten Sprachvereine Deutschlands in Hamburg gegründet. Die Gründungszeit war geprägt von einem aufkommenden allgemeinen Interesse für Sprach- und Sprachgeschichtsforschung, in der auch der Dialektologie eine steigende Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es war das erklärte Ziel der Vereinsarbeit, die niederdeutsche Sprache in ihrer ganzen sprachkulturellen Erscheinungsvielfalt zu erforschen. Sprachpflegerische Aktivitäten wurden hingegen nicht angestrebt. Von Beginn an kooperierte der Verein mit dem 1870 gegründeten Hansischen Geschichtsverein, mit dem er bis zum Jahr 2007 gemeinsame Jahrestagungen veranstaltete.
Die erste Jahrestagung fand Pfingsten 1875 in Hamburg statt. Unter dem Vorsitz von August Lübben (Oldenburg) trat der erste Vorstand zusammen, dem weiterhin Elard Hugo Meyer (Bremen), F. K. G. H. Culemann (Hannover), O. Francke (Stralsund), Karl Nerger (Rostock), K. Koppmann (Barmbeck) und W. H. Mielck (Hamburg) angehörten. Noch im selben Jahr begann man mit der Publikation des Niederdeutschen Jahrbuchs (Redaktion: August Lübben, Karl Nerger, C. Walther) als zentralen wissenschaftlichen Publikationsorgans, ab 1876 folgte das Korrespondenzblatt (Redaktion: Karl Koppmann, W. H. Mielck), in dem neben wissenschaftlichen Miszellen und Materialsammlungen auch kleinere Arbeiten mit populärem Charakter veröffentlicht wurden.
1876 zählte der Verein bereits 220 Mitglieder. In etlichen Städten des norddeutschen Raums bildeten sich Regionalgruppen, sogenannte Bezirke.
Nachdem die Tradition der Pfingsttagungen zu Beginn des 1. Weltkriegs eine Zäsur erfahren hatte und erst 1921 in Lübeck fortgesetzt werden konnte, begann in der Weimarer Republik neuerlich eine fruchtbare Phase der Vereinsgeschichte, die mit prominenten Namen wie Conrad Borchling und Agathe Lasch in Verbindung gebracht werden kann. Borchling, Vereinsvorsitzender von 1923 bis 1939, etablierte als Professor für Deutsche Philologie an der Universität Hamburg gemeinsam mit Agathe Lasch das Niederdeutsche als wissenschaftliche Disziplin.
1933 begann die Instrumentalisierung des Vereins durch die Nationalsozialisten, wie es u.a. die Vereinsmitteilungen des Korrespondenzblattes ausweisen. Als Jüdin sah sich Agathe Lasch Ende März des Jahres 1933 zum Rücktritt aus dem Vorstand des Vereins genötigt. Spätestens im Jahre 1935 war der Verein gleichgeschaltet. Der beginnende Krieg verhindert ab 1940 die Durchführung von Jahrestagungen, die erst 1946 fortgesetzt wurden. Die regelmäßige Publikation des Niederdeutschen Jahrbuches konnte noch bis zum Jahr 1942 erfolgen.
Nach 1945
In den Jahren nach der Gründung beider deutscher Staaten bemühte sich der Verein zunächst um die Fortführung der Tradition, die Tagungen im gesamten niederdeutschen Sprachraum stattfinden zu lassen. Allerdings musste die 71. Jahrestagung 1958 in Rostock bis zur Wiedervereinigung die einzige Pfingsttagung auf ostdeutschem Boden bleiben. Die Einreise der Vereinsmitglieder aus der DDR zu Tagungen in der BRD gestaltete sich zunehmend als unüberwindbare Schwierigkeit. Ab 1970 war ein direkter wissenschaftlicher Kontakt nicht mehr möglich.
Perspektivenwechsel in der Sprach- und Literaturwissenschaft, Interdisziplinarität und die Etablierung neuer Disziplinen haben die Erforschung des Niederdeutschen nachhaltig beeinflusst und fruchtbringende thematische wie methodologische Neuperspektivierungen ermöglicht. Seit den 70er Jahren etablierten sich soziolinguistische Ansätze; einen relativ jungen Forschungsgegenstand bildet die norddeutsche Alltagssprache.
Heute gilt der VndS als diskursiver Knotenpunkt für etablierte FachwissenschaftlerInnen wie für NachwuchsforscherInnen und versteht sich als Forum für die Auseinandersetzung mit allen Aspekten des Forschungsgegenstands Niederdeutsch. Zusätzliche Informationen zum Verein finden sich auf Wikipedia (siehe hier).